Bettina Betzner | Wenn ich auf meinen Alltag schaue, der intensiv von meinem beruflichen Kontext für Familien in Not geprägt ist, dann darf ich beim Besuch der Heiligen Messe erfahren:
Aus der Hektik meines Alltags und seinen Sorgen, tauche ich in das Geheimnis der Heiligen Messe ein. Ich darf mich bringen, wie ich bin! Durch die Gegenwart des Heilands und seines Segens verändert, kehre ich in meinen Alltag zurück. Ich bin gestärkter, gewandelter und gesegneter. Die Heilige Messe wird sozusagen zur Kraftquelle, ja Stärkung und zugleich zum Ruhepunkt meiner Seele.
Wie die Jünger Jesu
Nach einer kräftezehrenden Pilgerreise, verbunden mit dem Ansturm der vielen Menschen, lädt Jesus seine Jünger ein, sich bei ihm auszuruhen, in der Stille zu verweilen, im Gebet Kraft zu schöpfen und ihm ganz nahe zu sein. Bei IHM zu sein!
Die Jünger waren bestimmt nicht nur physisch, sondern auch psychisch erschöpft, ausgelaugt. Durch die Nähe Jesu nahmen sie Teil an IHM und seiner stärkenden Persönlichkeit. Sie partizipierten von seiner Nähe, die heilend, aufbauend, erfrischend und zugleich inspirierend war. In Jesus begegneten sie dem himmlischen Vater. In seiner Gegenwart werden sie in die Verbindung zwischen Sohn und Vater hineingenommen. Diese Beziehung ist die Kraftquelle für Jesus schlechthin. Ihm ist es wichtig, seine Jünger dorthin mitzunehmen und ihnen diese Erfahrung zu schenken. In diesem stillen und inneren Dialog nehmen sie Teil an seiner Liebe zum Vater.
Die Beziehung zu Jesus nährt die Jünger, um den Herausforderungen damals gewachsen zu sein, und sie nährt mich heute!
In der Heiligen Messe, sein Vermächtnis für uns, lädt Jesus mich ein, in einen inneren Dialog mit ihm zu treten. Ein Dialog, der in der tiefen Verbindung zu ihm in der Eucharistie, in der Wandlung geschieht – beim Brechen des Brotes. Im gebrochenen Brot reicht mir Jesus seine Hand und ich öffne mich, wie ich meine Hände öffne zum Empfang der Heiligen Kommunion, um ihm nahe zu sein. Die Verbindung ist für mich zugleich Auftrag und mündet ein, ihm immer ähnlicher zu werden, in seine Fußspuren zu treten.
Sein Auftrag, der verbunden ist mit der Hinwendung zu den Menschen: Ihnen die barmherzige Liebe des Vaters zu schenken. Eine Botschaft, die ohne Ausnahme, als geliebte Kinder des Vaters, uns allen gilt.
In der Eucharistie feiern wir nicht nur die Erinnerung, sondern die reale Präsenz Jesu. Das große Geschenk des Vaters an uns. Er schenkt uns seinen Sohn!
Wenn wir die Heilige Messe miteinander feiern, dann werden wir in sein Da-Sein für uns vollkommen hineingezogen. Er verwandelt sich für uns, damit wir die Liebe des Vaters „kosten“ dürfen.
Dieses Geheimnis seiner liebenden Nähe ist für mich das Herzstück meines Glaubens und gleichzeitig ein nährender und heilender Vorgang.
Heilige Messe – ein heilender Vorgang
In der Heiligen Messe hat für mich der Vorgang der Reinigung eine wichtige Bedeutung. Das Kyrie, das „Herr erbarme Dich“, ist die seelische Vorbereitung auf die Begegnung mit dem Heiland in der Eucharistie.
Die Reinigung macht mich frei von meiner Schuld, meiner Armut, meinen Brüchen und befreit mich aus meiner Enge. Aus der Enge meines kalten Herzens, das vielleicht an diesem Tag achtlos an Menschen vorbei gegangen ist. Das Bekennen meiner Schuld öffnet mich und macht mich frei für Jesus und für meine Mitmenschen.
Das göttliche Geschehen der Wandlung von Brot, das uns nährt, in seinen Leib, Wein, der uns stärkt, in sein Blut lässt uns eins werden mit ihm, um die Liebe des Vaters zu kosten.
„Nehmet und esset alle davon. Das ist mein Leib, der für euch alle hingegeben wird. Nehmet und trinket alle davon: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis.”
Der Höhepunkt mündet im Empfang des Heilands. Bei der Begegnung mit ihm geschieht für mich Wandlung.
Ich komme vom Altar anders zurück als ich hingegangen bin. Ich bin dem Heiland begegnet: Er ist mir begegnet! In der Begegnung mit ihm darf ich mich vorbehaltlos schenken und ER schenkt sich mir. Er wohnt in mir! Ich trage ihn in mir! Mit diesem Reichtum gehe ich vom Altar als gewandelter Mensch in meinen Alltag zurück und bringe IHN.
Ich darf erfahren: Die Heilige Messe ist für mich persönliche Teilnahme an der Gegenwart Gottes und an seiner Gnade. Für diese Gnade bin ich, sind wir gesandt an Christi statt, wie Paulus es im zweiten Brief an die Korinther formuliert.
Wenn ich in meinen Alltag schaue, dann geht es mir manchmal wie den Jüngern damals. Sie sind mit Jesus unterwegs und können sich vor lauter Arbeit nicht retten. Dann kann es geschehen, dass bei allem Trubel die eigentliche Mitte aus den Augen verloren geht: Gottes Reich der Liebe zu verkörpern und zu künden.
Wie oft geht es mir ähnlich?
Ich kreise um mich und mein alltägliches Allerlei. Die Herausforderung im Beruf. Die Menschen, die mich brauchen und auf Hilfe warten. Die gesellschaftlichen und welt- und kirchenpolitischen Fragen, die mich nicht kalt lassen und vieles mehr.
Doch wie kann es mir gelingen, wie die Jünger die Nähe Jesu nicht aus den Augen zu verlieren und zu pflegen, zu bewahren und mit meinen Anliegen immer wieder zur Mitte zurückzukommen?
Die Heilige Messe ist für mich die Mitte
Auf der einen Seite der Ruhepunkt, wo ich auftanken kann, wenn ich rundum erschöpft bin und auf der anderen Seite die Stärkung, die Nähe des Heilands, ihm nahe zu kommen, mich mit ihm in der Eucharistie zu verbinden. Seine Liebe ins Gedächtnis, in mein Herz zu rufen und zu wissen, ja, dafür mache ich das alles. Für Dich und die Menschen mache ich alles. Alles, was dir lieb und teuer ist, ist mir lieb und teuer!
Mit Dir zu Hause im Gespräch
Es gelingt mir nicht jeden Tag die Heilige Messe zu besuchen.
Dann schätze ich die Gegenwart des Heilands in meinem Innern, die ich versuche zu pflegen, indem ich mich in mein Hausheiligtum, in meine Gebetsecke begebe und mich geistig in das Geschehen der Eucharistie hineinversetze.
Zu Hause habe ich eine sehr schöne Jesus-Ikone, die für mich sinnbildlich dafürsteht. Hier findet die Begegnung mit dem Heiland statt – nicht in Brot und Wein – sondern im Schauen auf Jesus.
Durch die Betrachtung des Antlitzes Jesu begegne ich ihm, werde ich hineingenommen in seinen Auftrag, schenkt er mir Mut es ihm gleich zu tun, bekomme ich Halt und Zuversicht, schenkt er mir Geborgenheit durch seine „Nähe“, komme ich mit ihm in eine liebende Zweisamkeit, in einen innerseelischen Dialog. In diesem Augenblick begegne ich dem Vater durch ihn.
Vom Heiligtum zum Altar und vom Altar zum Heiligtum wird das Vermächtnis des Herrn in diesem Augenblick Realität und schenkt mir Sinn und Stärkung auf dem Weg zu den Menschen.
„Und was empfange ich jeden Tag, jede Sekunde? Gott selbst im Gottmenschen, nicht bloß geistiger Weise, sondern auch dadurch, dass ich ihn verlebendige, dass ich ihn der ganzen Welt und meiner ganzen Umgebung zeige. Ich soll ihn repräsentieren, ihn darstellen. So wie ich mich gebe, so sollte eigentlich an meiner Stelle der Heiland sein. „Ich soll eben ein altera (ein anderer) Christus sein.“ (J. Kentenich, Heiliger Geist und ein Reich des Friedens, S. 155-156)